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Bild: Roland Schmid
Tramblockade statt Strassenschlacht: Rund 60 Personen müssen sich grossenteils wegen Lappalien vor dem Basler Strafgericht verantworten, nachdem sie an einer Solidaritätsdemonstration von «Basel Nazifrei» teilgenommen hatten.
Die erste Prozesswelle gegen «Basel Nazifrei»-Teilnehmer ist mittlerweile beim Appellationsgericht angelangt. Bald dürften dort noch weitere Verfahren dazukommen.
Kenneth Nars
Total 131 Verfahren löste eine Polizeikontrolle im Rahmen einer Demonstration vor der Basler Staatsanwaltschaft im Sommer 2020 aus. Die nicht bewilligte Protestveranstaltung richtete sich gegen die sogenannten «Basel Nazifrei»-Prozesse, die kurz darauf starteten. Im November 2018 kam es auf dem Messeplatz bei einer Kundgebung der rechtsextremen PNOS zu Ausschreitung zwischen der Polizei und Gegendemonstration.
Die Solidaritätskundgebung eineinhalb Jahre später dauerte nur kurze Zeit. Als nach zehn Minuten ein Grossaufgebot der Polizei anrückte, zogen sich die Demonstrierenden ins Nachtigallenwäldeli zurück. Dort wurden sie eingekesselt und einer Personenkontrolle unterzogen. Der Grund: Bei der Kundgebung hätten sie an der Binningerstrasse die Fahrbahn betreten und dabei unter anderem die Tramspur blockiert, das sei eine Verletzung der Verkehrsregeln.
Wer nicht kooperierte, musste sich später auch noch wegen Diensterschwerung verantworten. Bei denjenigen, die sich gegen die Kontrolle wehrten, kam noch Hinderung einer Amtshandlung dazu. Alle diese Vergehen ziehen höchstens eine Busse oder Geldstrafe nach sich.
«Nur bei vereinzelten Personen, denen explizit Gewalt nachgewiesen werden konnte, nahmen wir dann auch noch Gewalt und Drohung gegen Beamte an, zum Beispiel bei einem Flaschenwurf in Richtung der Polizeikette», sagt Martin Schütz von der Basler Staatsanwaltschaft. Wobei die angeklagte Person sich auf den Standpunkt stellte, er habe die Trinkflasche über den Polizeiring zu den durstigen Demonstranten geworfen.
«Personenkontrolle war klar unverhältnismässig»
Mittlerweile beschäftigten die Folgen des falschen Betretens der Strasse die Basler Gerichte. Die Staatsanwaltschaft hat die Fälle alle per Strafbefehl abgeurteilt. Rund die Hälfte der Personen erhoben Einsprache, wobei davon mittlerweile sehr viele wieder zurückgezogen worden sind. Zehn Fälle wurden von Jugendgerichten beurteilt. Die restlichen Personen müssen sich nun zwei Jahre nach der Demo vor dem Basler Strafgericht verantworten. Mehrere Verhandlungen haben bereits stattgefunden.
Doch damit ist die Sache nicht beendet. Einige dieser Urteile wurden bereits wieder angefochten, müssen nun also vom Appellationsgericht beurteilt werden. Dort hingegen sind noch immer diverse Verfahren im Zusammenhang mit der ersten Prozesswelle im Gange. Bis der ganze «Basel Nazifrei»-Komplex juristisch aufgearbeitet ist, dürfte es noch Jahre dauern.
Der Basler Anwalt Andreas Noll verteidigt im Zusammenhang mit der Solidaritätsdemonstration insgesamt sechs Personen. Er kritisiert das Vorgehen der Polizei und Staatsanwaltschaft: «Eine solche Personenkontrolle im Kontext einer Demonstration wegen Verletzungen der Verkehrsregeln durchzuführen, ist klar unverhältnismässig.»
Zum Vergleich erinnert er an die grossen Kundgebungen, als ein Jahr FCB-Fans gegen die Vereinsführung Protestmärsche veranstalteten. Das Strafgericht liess diesen Vergleich allerdings nicht gelten.
Als Nächstes stehen sechs junge Erwachsene im Alter von 22 bis 28 Jahre vor dem Basler Strafgericht. Ihnen drohen gar bedingte Haftstrafen, weil sie zusätzlich wegen Sachbeschädigung angeklagt sind. Sie sollen im Frühjahr 2021 in ihrem Wohnort Winterthur über 100 Plakate des Revolutionären Jugendbündnisses an Wände, Mülltonnen und Elektrokästen gekleistert haben.
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