Gastbeitrag: Replik auf BaZ-Interview
Falschinformationen durch die Polizei schaden ihrem Ansehen
Nicht fehlende Grenzen, sondern eine fehlende Fehlerkultur der Polizei ist ein Grund für den Respektverlust. Ein offener Brief an den Basler Polizeikommandanten.
Sehr geehrter Herr Dr. Roth
Sie sind Polizeikommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt, von der Regierung gewählt und eingesetzt. Als oberster Polizist des Kantons Basel-Stadt werden auch Sie das polizeiliche Gelübde abgelegt haben, «die Grundfreiheiten und die Rechte der Menschen zu achten und zu schützen».
Im Interview vom 21. Januar sprechen Sie von zunehmender Respektlosigkeit der Bevölkerung gegenüber der Polizei, die von der Politik und selbst ernannten Experten, insbesondere nach Demo-Einsätzen, auch in der Presse, befeuert werde. Als Gründe dafür verorten Sie die liberale Gesellschaft; man habe den betreffenden Leuten zu wenig die Grenzen aufgezeigt. Ausserdem verteidigen Sie den Einsatz von Gummischrot im Vergleich zu Deutschland, wo dies verboten ist, weil es als zu gefährlich gilt.
In einem demokratischen Rechtsstaat hat sich die Polizei in den Dienst der Bevölkerung zu stellen - nicht umgekehrt -, und zwar so, wie die Bevölkerung - nicht die Polizei - den Dienst an der Allgemeinheit versteht.
Ihre Haltung, wie sie im BaZ-Interview durchscheint, lässt sich meines Erachtens nur schwer mit dem Polizeigelübde eines liberalen Rechtsstaates vereinbaren. Diese Haltung ist es auch, die den Rückhalt in der Bevölkerung schwinden lässt und das Misstrauen gegenüber der Polizei schürt. Wie man in den Wald ruft, so tönt es zurück.
Ich bin kein Experte, was Polizeiarbeit anbelangt. Als Strafverteidiger begegnen mir aber immer wieder dieselben Fakten, mal besser, mal weniger gut belegbar. Eindeutig beweisen kann ich dies jedoch im Zusammenhang mit der «Basel nazifrei»-Demonstration vom 24. November 2018. Am 26. November 2018 haben Sie in einem Interview auf Telebasel nachweislich die Unwahrheit verbreitet. Sie stellten dort - sei es bewusst oder weil Sie falsch informiert waren - die Behauptung auf, dass die Kantonspolizei nicht auf Leute geschossen habe, die sich gegen Nazis äussern. Die Kantonspolizei versuche, mit allen im Dialog zu bleiben. Und sie versuche, «permanent zu deeskalieren». Erst wenn eine Demonstrationsgruppe die andere oder die Polizei angreife, sei diese gezwungen, Gummischrot einzusetzen.
Videoaufnahmen belegen das Gegenteil: Ohne jegliche Bedrohungssituation und in Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands von 20 Metern eröffnete die Kantonspolizei das Gummischrotfeuer auf die zu diesem Zeitpunkt ruhige bis entspannte Menge der Demonstrierenden. Gewichtige Indizien legen nahe, dass es sich beim Gummischroteinsatz um ein Ablenkungsmanöver handelte, um der Pnos den Abzug vom Messeplatz zu ermöglichen.
Eine unnötige Eskalation der Situation durch die Polizei mit einem gefährlichen Mittel als Ablenkung. Eine direkte Folge davon: Ein Demonstrant wurde durch ein Gummiprisma am Kopf schwer verletzt, der Notarzt musste aufgeboten werden. Dass nicht die Demonstrierenden auf die Polizei losgingen, sondern die Gewalt initial von der Polizei ausging, hat inzwischen sogar das Bundesgericht festgehalten. Wessen Grundrechte und Freiheit wurden damit durch die Basler Polizei geachtet und geschützt?
Ob Sie, Herr Roth, zum Zeitpunkt des besagten Telebasel-Interviews über die effektiven Begebenheiten im Bild waren, kann ich nicht beurteilen. Wer allerdings wusste, was vor Ort geschehen war, war der polizeiliche Einsatzleiter. Auch er gibt Ihre Darstellung zu Protokoll.
Es ist schwer vorstellbar, dass sich der Einsatzleiter weniger als zwei Monate nach dem Ereignis nicht mehr an die effektiven Begebenheiten erinnern kann. Selbstverständlich gilt auch für den Einsatzleiter die Unschuldsvermutung. Ob sich dieser wegen falschen Zeugnisses zu verantworten hat, darüber kann sich jeder und jede selbst eine Meinung bilden.
Genau solche Verhaltensmuster sind es, die das Vertrauen und den Respekt der Bevölkerung gegenüber der Polizei schwinden lassen. Auch Ihre persönliche Fehlerkultur hat Luft nach oben: Es genügt nicht, zuzugeben, dass die Kantonspolizei nicht fehlerfrei sei, aber gleichzeitig gravierende Fehler - wie eben dargelegt unter Irreführung der Bevölkerung - einfach unter den Teppich zu kehren.
Sie müssen auch für Fehler der Polizei geradestehen und diese klar benennen. Bei der «Basel nazifrei»-Demonstration ist von Ihnen als Polizeikommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt zumindest zu erwarten, dass Sie Verantwortung übernehmen, sich bei der Bevölkerung für die Fehlinformation entschuldigen und erklären, wie es dazu kommen konnte.
Sollten Sie auch hierzu nicht in der Lage sein, müssen Sie sich nicht wundern, wenn Vertrauen und Respekt der Bevölkerung auch in Zukunft weiter abnehmen. Mit freundlichen Grüssen
Andreas Noll
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